hier finden Sie den Text des Vorstosses, der vom Bernischen Grossen Rat im März 08 behandelt wurde.
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reformiert 26.11.10

Die Kirchen im Stresstest

Kassensturz/ Die Kirchen nützen mehr, als sie kosten: Das zeigt eine Wirtschaftsstudie – die aber auch brisante Fragen zu den Finanzströmen stellt.
Fakir» nennt sich neckisch die breit angelegte «Finanzierungsanalyse Kirchen»: eine Kosten-Nutzen-Untersuchung im Rahmen des Nationalforschungsprogramms NFP 58 «Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft». Wie viel Steuergeld der Mitglieder und welche öffentlichen Beiträge fliessen den beiden grossen Landeskirchen zu? Welche sozialen Dienstleistungen bieten sie im Gegenzug an? Und wie finanzieren sich Freikirchen, jüdische Gemeinden und islamische Gemeinschaften?
Die Fragen von «Fakir» sind brisant. Über kurz oder lang dürfte die Interpretation der Antworten in die politische Debatte einfliessen – im Zeichen des Mitgliederschwunds und der periodisch aufflammenden Diskussion, wie legitim die Kirchensteuer für juristische Personen, für Firmen also, sei. (...)
Zunächst beeindrucken die nackten Zahlen: Gut 1,3 Milliarden Franken haben die beiden grossen Landeskirchen 2007 in Form von Kirchensteuern natürlicher Personen eingenommen. Ins Auge fallen dabei die kantonalen Unterschiede: So bezahlt etwa ein durchschnittliches reformiertes Mitglied im Kanton Basel-Stadt jährlich 567 Franken, im Kanton Zürich 301 Franken und im Wallis 11 Franken. Freikirchen und islamische Gemeinschaften alimentieren sich dagegen via Spenden und Beiträge. (...)
Welchen Wert haben die sozialen Dienstleistungen der Kirchen im Vergleich zu den Kosten? Die «Fakir»-Studie legt exemplarisch Zahlen für die Kantone Bern und St. Gallen vor. Total 105,8 Millionen Franken kosten die beiden grossen Landeskirchen die Öffentlichkeit im Kanton Bern. Auf 103,1 Millionen Franken berechnet «Fakir» den Gegenwert der sozialen Leistungen durch die Kirchen. Notabene nicht berücksichtigt sind dabei Leistungen für den Denkmalschutz (Kirchenrenovationen), der Eheberatungsstellen und der Gefängnis- und Spitalseelsorge. (...)
Generell stellt «Fakir» fest: Rund ein Viertel bis ein Drittel der geleisteten Arbeitsstunden aller Religionsgemeinschaften fliessen in den Sozialbereich – von der Jugendarbeit über die Erwachsenenbildung bis zur Seniorenarbeit.
Methodisches Neuland betritt «Fakir» mit der sogenannten «Zahlungsbereitschaftsstudie»: Im Kanton Bern wurde in einer Repräsentativumfrage danach gefragt, wie viel jährlich für das Angebot der Landeskirchen bezahlt würde – angenommen, die obligatorische Kirchensteuer fiele weg. Heraus kam ein hoher Mittelwert von 606 Franken pro reformiertes Mitglied. Zudem erklärten erstaunliche 85 Prozent der Befragten die Kirche als persönlich oder gesellschaftlich wichtig. Allerdings stellen die Autoren wohl zu Recht fest, die Zahlungsbereitschaft würde in einer realen Entscheidungssituation niedriger ausfallen. Zudem: Die auf die Gesamtbevölkerung hochgerechneten «Zahlungsbereitschaften» könnten die Gesamtkosten der Landeskirchen nicht ganz decken. (...) (Link)

STATEMENTS ZUR STUDIE
Anspruch auf steuerliche Abzüge
«‹Fakir› stellt erstmals alle religiösen Gemeinschaften, ob klein oder gross, auf eine Ebene: ‹Fakir› vergleicht, ohne zu werten. Die Studie zeigt, dass auch Freikirchen soziale Dienstleistungen anbieten, vor allem in der Jugendarbeit – wenn auch in bescheidenerem Umfang als die Landeskirchen. Dennoch streben die Freikirchen jetzt nicht die öffentlich-rechtliche Anerkennung an, und sie erheben auch keinen Anspruch auf einen prozentualen Anteil an der juristischen Kirchensteuer. Aber wir möchten, dass Spenden an Freikirchen wieder steuerabzugsberechtigt werden, wie vor der Steuerharmonisierung – so wie das Zuwendungen an die Landeskirchen auch sind. ‹Fakir› sieht alle Gemeinschaften im gleichen Boot: Vielleicht hilft uns darum die Untersuchung, das Gemeinsame jenseits der konfessionellen und religiösen Grenzen besser wahrzunehmen.»
Wilf Gasser, Freikirchenverband

 

Berner Zeitung 13.10.09 Kanton Bern

Kirchensteuer wird in Frage gestellt

Die Jungsozialisten verlangen die Trennung von Kirche und Staat und wollen die Kirchensteuer abschaffen.
(...) die Kirche Bern-Jura-Solothurn finanziert sich zu 90 Prozent mit Steuereinnahmen: 80 Prozent stammen von natürlichen Personen, 10 Prozent steuern die juristischen Personen bei. (...) (Link)

 

Regibern 10.4.08, 17.30 Uhr

Am Verhältnis zwischen Kirche und Staat wird nicht gerüttelt (3:28)
Der bernische Grosse Rat will dazu keinen Bericht in Auftrag geben (Link)

 

Radio Life Channel 11.4.08, 17.30 Uhr

Verhältnis zwischen Kirche und Staat im Kanton Bern (Link)

 

Berner Zeitung 11.4.08 Kanton Bern

Kein neuer Bericht

Es gibt keine neue Untersuchung über die Liaison zwischen Staat und Kirche im Bernbiet. Die Grundsatzdebatte ist vertagt.
Die klare Mehrheit des Grossen Rats lehnte es gestern ab, einen Bericht über das enge Verhältnis von Kirche und Staat im Kanton Bern erarbeiten zu lassen. Die EVP-Grossräte Philippe Messerli (Nidau) und Ruedi Löffel (Münchenbuchsee) hatten den Bericht als «Auslegeordnung» verlangt, um eine «Grundsatzdebatte» zu ermöglichen. Als Varianten nannten sie Status quo, Entflechtung oder Trennung.
Die Debatte verlief unübersichtlich und widerspiegelte den grossen Rückhalt der Landeskirchen (evang.-ref., röm.-kath., christkath.) in der Politik. Messerli betonte, es gehe ihm darum, die Kirchen für die Zukunft fit zu machen. Trotzdem traten viele Votanten auf, um ein Loblied auf die Kirchen – insbesondere die drei Landeskirchen – anzustimmen und den Bericht zu verhindern. «Es geht hier darum, die Landes- gegen die Freikirchen auszuspielen», warnte zum Beispiel Marianne Morgenthaler (Grüne, Richigen).

«Schaffen sich selber ab»
Am kritischsten äusserte sich Alfred Schneiter (EDU, Thierachern): «Die Landeskirchen sind auf dem besten Weg, sich selber abzuschaffen.» Der Bericht sei nötig, die Politik dürfe die Landeskirchen nicht ihrem Schicksal überlassen, weil diese nun mal so eng mit dem Kanton verbunden seien.
Andere betonten im Einklang mit der Regierung, die bereits vorliegenden Berichte reichten aus. Löffel dagegen wollte einen Bericht, der die gemeinnützigen Leistungen der Kirchen quantifiziert und zeigt, wie sich die Sonderstellung der Landeskirchen rechtfertigen lässt. Messerli wiederum hielt fest, die Debatte sei ohnehin im Gang. fab

 

Der Bund 11.4.08 Kanton Bern

Kein Bericht zu Kirche und Staat

Der Kanton muss keinen Bericht zum Verhältnis von Kirche und Staat ausarbeiten lassen. Der Grosse Rat lehnte gestern einen Vorstoss aus den Reihen der EVP deutlich ab. Die Motionäre Philippe Messerli (Nidau) und Ruedi Löffel (Münchenbuchsee) wollten insbesondere wissen, ob das enge Verhältnis zwischen dem Kanton und den drei Landeskirchen noch zeitgemäss sei. Messerli und Löffel sahen die Freikirchen im Nachteil. Diese und andere religiöse Organisationen erfüllten einen wichtigen, diakonischen, sozialen und kulturellen Auftrag, ohne in den Genuss staatlicher Mittel zu kommen oder von einer öffentlich-rechtlichen Anerkennung zu profitieren. Sie verlangten daher einen Bericht, der die Basis für eine Grundsatzdiskussion liefern soll. Es gehe nicht um einen Vorentscheid für eine Trennung von Kirche und Staat.
Dieser Beteuerung glaubten nicht alle Grossräte. (...) Die Regierung verwies in ihrer schriftlichen Antwort auf bereits bestehende Berichte und Gutachten aus den Jahren 1991 und 1994. Die grossen Fraktionen sprachen sich allesamt gegen den Vorstoss aus. Die EDU unterstützte die Forderung. Das Verhältnis zwischen Kirche, Freikirchen und Staat gibt im Kanton Bern seit Jahren immer wieder zu reden. So blitzten etwa vor rund einem Jahr sieben Freikirchen mit ihrem Begehren um öffentlich-rechtliche Anerkennung ab. (sda)

 

Berner Zeitung 13.3.08 Kanton Bern

Enge Liaison von Kirche und Staat

Braucht es einen neuen Bericht zum engen Verhältnis von Kirche und Staat im Kanton Bern? Nein, findet der Regierungsrat.
Im Bernbiet sind sich Kirche und Staat vergleichsweise sehr nah. Ein paar Beispiele: Die Pfarrer der Landeskirchen (evangelisch-reformiert, römisch-katholisch, christkatholisch) erhalten ihren Lohn vom Kanton – also auch von allen atheistischen Steuerzahlern; die Zahl der Pfarrstellen im Bernbiet legt der Grosse Rat fest; der Kanton entscheidet auch gleich, welche Pfarrer arbeiten dürfen. Und so weiter.
Zwei EVP-Grossräte möchten nun eine «Grundsatzdebatte» über die enge Liaison auslösen. Philippe Messerli (Nidau) und Ruedi Löffel (Münchenbuchsee) verlangen einen «Bericht», der den heutigen Zustand aufzeigt und mögliche Szenarien für die Zukunft beschreibt. Grundsätzlich nennen sie drei Varianten: Trennung, Entflechtung oder Status quo.
Sie stören sich an der «grossen religiösen Machtposition und Privilegien» der Landeskirchen im Vergleich mit den Freikirchen. Messerli und Löffel halten, relativ vorsichtig, fest: «Es darf deshalb zumindest die Frage gestellt werden, ob diese besondere Stellung der Landeskirchen überhaupt noch zeitgemäss ist und nicht den Grundprinzipien eines liberalen und konfessionell neutralen Staates zuwiderläuft.»

Kein neuer teurer Bericht
Auf diese Frage geht der Regierungsrat in seiner Stellungnahme nicht ein. Er beschränkt sich auf die Forderung nach einem Bericht – und lehnt diese klar ab. Die Regierung verweist insbesondere auf ein Gutachten von 1994, das auch heute noch genug Auskunft gebe über die hiesige Kirche-Staat-Beziehung. Der Regierungsrat hält zudem fest, es würde rund 80000 Franken kosten, um schon nur den Ist-Zustand aufarbeiten zu lassen. Da keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien, sei dies weder sinnvoll noch angebracht.

Immer wieder ein Thema
Eine Diskussion im Grossen Rat wird es trotzdem geben, im April. Im Juni 2007 gab das Verhältnis von Kirche und Staat im Kantonsparlament letztmals zu reden: Damals verlangte die FDP, Firmen seien von der Kirchensteuer zu befreien. Diese Forderung erlitt – dank dem Lobbying der Landeskirchen – klar Schiffbruch: Sie ging mit 119 zu 20 Stimmen unter.
Eine zweite Diskussion endete letztes Jahr ebenso fruchtlos: Sieben Freikirchen baten offiziell um die öffentlich-rechtliche Anerkennung, unter anderem, um Schulräume benutzen zu können. Sie blitzten beim Regierungsrat ab. Fabian Schäfer

 

Regibern 4.3.08, 12.00 Uhr

Verhältnis von Kirche und Staat - EVP will Grundsatzdebatte

Enges Verhältnis von Kirche und Staat im Kanton Bern - EVP will Grundsatzdebatte (2:13)
Die EVP fragt sich, ob die enge Zusammenarbeit noch gerechtfertigt ist. Die Regierung soll einen Bericht dazu verfassen, der Grosse Rat behandelt den Vorstoss im April. (Link)

 

espace.ch / sda 4.3.08 Kanton Bern

Regierungsrat will nicht über Kirche diskutieren

Zwei Grossräte aus den Reihen der EVP wollen im Kanton Bern eine Grundsatzdebatte über das Verhältnis von Kirche und Staat führen. Der Regierungsrat lehnt dies aber ab.

EVP-Grossrat Ruedi Löffel / Franziska Scheidegger

Die beiden Motionäre, Philippe Messerli (Nidau) und Ruedi Löffel (Münchenbuchsee) wollen insbesondere wissen, ob das enge Verhältnis zwischen dem Kanton und den drei Landeskirchen heute noch zeitgemäss sei. Messerli und Löffel sehen die Freikirchen, aber auch andere religiöse Organisationen benachteiligt.
Doch gerade auch Freikirchen und andere religiöse Organisationen erfüllten einen wichtigen, diakonischen, sozialen und kulturellen Auftrag, ohne in den Genuss steuerlicher Mittel zu kommen oder von einer öffentlich-rechtlichen Anerkennung zu profitieren, betonen die Vorstösser.
Sie verlangen von der Regierung einen entsprechenden Bericht, der als Basis für die Grundsatzdiskussion dienen soll.
Der Regierungsrat verweist in seiner schriftlichen Antwort vom Dienstag auf bereits bestehende Berichte und Gutachten aus den Jahren 1991 und 1994. Seitdem seien keine neuen Gesichtspunkte auszumachen.
Allein für den von die Motionären gewünschte Analyse des Ist-Zustands rechtfertige sich der Kostenaufwand von rund 80'000 Franken kaum. Die Regierung empfiehlt deshalb dem Parlament den Vorstoss zur Ablehnung.

Keine öffentlich-rechtliche Anerkennung
Das Verhältnis zwischen Kirche, Freikirchen und Staat gibt im Kanton Bern seit Jahren immer wieder zu reden. So blitzten etwa vor rund einem Jahr sieben Freikirchen mit ihrem Begehren um öffentlich- rechtliche Anerkennung ab.
Die Freikirchen hätten auf staatliche Gelder verzichtet. Hingegen hätten sie für den Religionsunterricht staatliche Räume mitbenutzen und die Anerkennung ihrer Seelsorger in den Spitälern und Anstalten erreichen wollen.
Im Kanton Bern sind die evangelisch-reformierte, die römisch- katholische und die christkatholische Kirche als Landeskirchen anerkannt. Die jüdischen Gemeinden sind öffentlich rechtlich anerkannt. Insgesamt sind auf Kantonsgebiet über 300 christliche und nichtchristliche Religionsgemeinschaften und Gruppierungen aktiv.

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